Erste Ideen für eine Eisenbahnstrecke entlang des südlich von München gelegenen Isartals gehen auf das Jahr 1870 zurück. Ziel war es, das obere Isartal, insbesondere die Gemeinde Tölz, an das Eisenbahnnetz anzuschließen, welches damals noch in Holzkirchen (1857) bzw. Penzberg (1865) endete.
Die Gemeinden des Isartals versuchten den Bau einer „Isarbahn“ München – Tölz zu erreichen und trugen diesen Wunsch an das „Collegium der Gemeindebevollmächtigten“ heran. Am 11. Juli 1870 tagte zum ersten Mal die „Cummulations-Commission“, wobei bereits ein Kostenvoranschlag für eine Bahn München – Pullach – Wolfratshausen – Rottmühle – Tölz – Arzbach – Lenggries präsentiert wurde. Man stellte sogar eine Verzinsung des Anlagekapitals in Höhe von 6,5 Prozent in Aussicht. Nach langen Debatten befürwortete am 21. Januar 1871 auch der Münchner Magistrat die Bahnlinie.
Parallel hierzu war das Projekt einer Vizinalbahn Holzkirchen – Tölz bereits entscheidungsreif. Die Abgeordnetenkammern genehmigten mit Gesetz vom 18. Februar 1871 den Vizinalbahnbau. Die Eröffnung erfolgte am 1. Juni 1874. Für das Projekt München – Wolfratshausen – Lenggries bedeutete dies das vorläufige „Aus“. In der Folgezeit betrieben weiterhin verschiedene Interessengruppen die Erschließung des Isartals durch eine Eisenbahnlinie. Am 16. Januar 1872 stellte der Glasfabrikant Leo Gasteiger beim Kgl. Staatsministerium des K. Hauses und des Äußeren einen Konzessionsantrag zur Projektierung einer Bahnlinie Thalkirchen – Wolfratshausen – Beuerberg – Tölz – Lenggries und Beuerberg – Bichl – Mühlhagen (bei Murnau). Der Antrag wurde abgelehnt, da er in direkter Konkurrenz zu den von der Staatsbahn geplanten bzw. in Bau befindlichen Strecken Holzkirchen – Tölz und Weilheim – Murnau stand. Am 7. September 1873 lehnte man den gleichen, wiederholt eingebrachten Konzessionsantrag erneut ab. Es sollte erst die weitere Verkehrsentwicklung auf den neuen Staatsbahnstrecken abgewartet werden.
Vom Markt Wolfratshausen ging 1881 die Initiative für eine Eisenbahnverbindung nach München in Form einer Sekundärbahn aus. Die Lokomotivfabrik Krauss & Co erhielt den Auftrag zur Untersuchung des Projektes. Am 30. August 1881 präsentierte die Fa. Krauss ihre Pläne, die eine Kleinbahn mit 1000 mm Spurweite, ausgehend vom Sendlingertorplatz in München und einer überwiegenden Streckenführung auf Staatsstraßen, vorsahen. Nur für den Abstieg von Icking ins Isartal nach Wolfratshausen, mit seiner Höhendifferenz von 75 Metern, war eine eigene Trasse vorgesehen. Ab Anfang 1882 wurde das Projekt der Dampftrambahn aus unbekannten Gründen nicht mehr weiterverfolgt.
Am 14. Januar 1885 stellte der Münchner Bankier und Zigarrenhändler Siegfried Klopfer das Konzessionsgesuch für eine Pferde- und Dampftrambahn München – Wolfratshausen – Leoni (Starnberger See). Die Projektierungskonzession wurde am 24. Januar 1886 erteilt und bereits im Mai 1886 präsentierte Klopfer die Projektierungsergebnisse mit dem Kostenvoranschlag. Die schmalspurige Strecke sollte ihren Ausgang im Bereich des heutigen Bahnhofs München Süd haben und über Großhesselohe – Hohenschäftlarn – Icking zur Ortschaft Dorfen auf dem Isarhochufer führen. Im anschließenden Abschnitt bis zum Starnberger See waren in Höhenrain und Biberkar Haltestellen vorgesehen. Endbahnhof sollte der Ort Rottmannshöhe sein.
Nach Prüfung der Projektierung stellte das Kgl. Staatsministerium des K. Hauses und des Äußeren am 19. Dezember 1886 die generelle Genehmigung und eine Konzession in Aussicht.
Erhebliche Widerstände gegen die geplante Streckenführung gingen von Wolfratshausen aus. Der Markt, in seiner Wirtschaftskraft der bedeutendste Ort an der geplanten Strecke, fühlte sich durch die entfernte Lage des Bahnhofs auf dem Hochplateau ungenügend angeschlossen. Der Personen- und Warenverkehr hätte über eine steile Zufahrtsstraße abgewickelt werden müssen. Weiterhin befürchtete man in Wolfratshausen einen weiteren Rückgang der Wirtschaftskraft, nachdem schon die Inbetriebnahmen der Strecken Holzkirchen – Tölz und München – Weilheim zu einer Abwanderung der Bevölkerung von 2200 auf 1600 Einwohner geführt hatten.
Dennoch erhielt Klopfer am 15. Juli 1887 durch den Prinzregenten die Konzession zur Herstellung und den Betrieb einer Lokalbahn mit vorgenannter Streckenführung. Zur Aufbringung des notwendigen Kapitals gründete Klopfer die Aktiengesellschaft „Isarbahn“. Das Aktienkapital betrug 100 000,- Mark. Als Gesellschafter waren der Industrielle Ernst Böhringer, Franz Mayerhofer, der Bildhauer Robert Zeiller, Paul Zeiller jun. und Siegfried Klopfer eingetragen. Das große Interesse des aus Mannheim stammenden Industriellen Ernst Böhringer an der Bahnverbindung hatte seinen Hintergrund in den umfangreichen Ländereien einschließlich des Gutes Biberkor am Starnberger See, die sich in seinem Besitz befanden. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse und die ausbeutbaren Torfvorkommen sollten mit der Eisenbahn abtransportiert werden. Der Mitanteilseigner Mayerhofer war Direktor des Gutes Biberkor. Die Rottmannshöhe war damals schon ein beliebtes Ausflugsziel und Künstlertreffpunkt am Starnberger See. 1875 entstand hier ein großes Hotel im Stil eines römischen Barockpalastes inmitten schöner Gartenanlagen.
Im Oktober 1887 begann die Detailplanung für die Bahn. Streitigkeiten zwischen Klopfer und Böhringer führten dazu, dass Böhringer beim Staatsministerium beantragte, die Konzession zum Bau und Betrieb der Bahn auf ihn allein zu übertragen. Am 11. März 1888 wurde die an Klopfer erteilte Konzession zurückgezogen und am 13. November 1888 Ernst Böhringer neu übertragen.
Der Streit um die Lage einer Station für Wolfratshausen wurde 1888 heftigst weitergeführt. Schließlich kam es am 27. September 1888 zu einer Übereinkunft zwischen Böhringer und der Marktgemeinde Wolfratshausen: Böhringer verpflichtete sich zum Neubau einer günstiger trassierten Straßenverbindung zwischen Wolfratshausen und dem geplanten Bahnhof auf seine Kosten.
Am 13. November 1888 konzessionierte Prinzregent Luitpold das nun normalspurige Bahnprojekt. Zum 1. März 1889 gründeten Ernst Böhringer und die Lokalbahn-Aktiengesellschaft in München (LAG) eine Kommanditgesellschaft. Die LAG übernahm am 21. März 1889 die Anfertigung des Detailprojektes und führte die erforderlichen Verhandlungen mit der Kgl. Generaldirektion der Staatsbahn und dem Magistrat München. Zur weiteren Unterstützung des Bahnprojektes gab Böhringer bei Dr. W. Götz, Dozent an der Technischen Hochschule München, ein umfangreiches verkehrliches Gutachten in Auftrag, das im März 1889 unter dem Titel „Das Gebiet der Isarthalbahn (München – Wolfratshausen – Rottmannshöhe) und deren Aufgabe“ erschien.
Die von Böhringer über die Jahre hinweg verteidigte Linienführung mit einem Streckenende in Rottmannshöhe wurde jedoch zurückgestellt. Im Laufe des Jahres 1890 trat Ernst Böhringer vom gemeinsamen Unternehmen zurück, so dass die LAG am 20. August 1890 alleinige Konzessionärin der Linie wurde. Nach den neuen Plänen sollte Wolfratshausen nun doch einen Bahnhof in Tallage an der Loisach erhalten, sofern die benötigten Grundstücke ab Ebenhausen kosten- und lastenfrei übertragen werden. Als Ausgleich für die Grundstücksabtretungen wurde ein Weiterbau der Strecke bis Beuerberg in Aussicht gestellt. Die Flügelstrecke nach Rottmanshöhe wollte man nur noch bei einer ausreichenden Rentabilität der Stammlinie zu einem späteren Zeitpunkt erbauen. Wolfratshausen war mit diesen Planungen natürlich höchst zufrieden. Am 13. Mai 1890 erhielt die Gesellschaft die geänderte Konzession zum Bau und Betrieb der Isartalbahn übertragen. Die Konzessionsurkunde war auf 99 Jahre Laufzeit erteilt. Nach Ablauf sollte das Eigentum an der Eisenbahnlinie dann ohne Entgelt und unmittelbar auf den bayerischen Staat übergehen.
Der Streckenbau
Noch im Mai 1890 nahm man die Bauarbeiten im Abschnitt Thalkirchen – Wolfratshausen auf. Insgesamt wurden in den fünf Baulosen über 1000 Arbeiter beschäftigt. Ende Februar 1891 konnte die Loisachbrücke bei Wolfratshausen übergeben werden – mit rund 150 Meter Länge das größte Brückenbauwerk auf der Strecke. Der 15,7 Kilometer lange Abschnitt Thalkirchen – Großhesselohe – Pullach – Ebenhausen wurde am 24. Mai 1891 mit einem ersten Probezug befahren und offiziell am 10. Juni 1891 eröffnet. Kurze Zeit später übergab man am 27. Juli 1891 den Abschnitt Ebenhausen – Wolfratshausen dem Verkehr (8,2 Kilometer). Die Züge verkehrten zunächst nur mit Wagen der II. und III. Klasse.
Abb.: Die alte Loisachbrücke zwischen Icking und Wolfratshausen
Aufnahme: BD München
Für den Streckenabschnitt München Isartalbahnhof (Isbf) – Thalkirchen zogen sich die Verhandlungen mit dem Magistrat München unerwartet lange hin. Ursprünglich war der Bahnhof München Isbf an der Dreimühlenstraße südlich der Hauptbahnstrecke München Centralbahnhof – Ostbahnhof mit einem Übergabegleis zum Südbahnhof geplant. Gleichzeitig sollten die dort liegenden städtischen Lagerplätze angebunden werden. Zur Verbindung mit der Stadt wollte die LAG eine vom Färbergraben ausgehende, über den Sendlingertorplatz und zur Dreimühlenstraße verlaufende elektrische Trambahn herstellen. Dieses Vorhaben scheiterte indessen an der Ablehnung, der von der LAG geforderten Konzessiondauer über 50 Jahre. Die LAG zog daraus Konsequenzen und änderte die Linienführung zwischen München und Thalkirchen. Der Isartalbahnhof wurde an die Schäftlarnstraße verlegt. Mit den Bauarbeiten konnte die LAG erst zur Jahresmitte 1891 beginnen. Für den Wagenübergang zwischen Staatsbahn und LAG errichtete man unter Überbrückung der Isartal- und Dreimühlenstraße eine 270 Meter lange Verbindungsstrecke zum Münchner Südbahnhof, die am 10. April 1892 in Betrieb genommen werden konnte. Erst jetzt war die durchgehende Abfertigung von Gütersendungen nach den Stationen der Isartalbahn möglich. Den ersten Personenzug fuhr die LAG am 1. Juni 1892 ab München Isbf. Der Isartalbahnhof erhielt zum gleichen Zeitpunkt mittels einer städtischen Pferdebahn vom Färbergraben über den Sendlinger Torplatz eine Verbindung mit der Münchner Innenstadt. 1895 wurde die Trambahnlinie als erste städtische Linie elektrifiziert.
Abb.: Eröffnungszug der LAG am 10. Juni 1891 in Thalkirchen
Aufnahme: BD München
Bereits 1892 führte die LAG auf allen Stationen die damals innovative Weichenzentralisierung mit Einfahrts- und Stationshaltesignalen und dazugehörigem Stellwerk ein. Zum einen konnte hierdurch der Betriebsablauf rationell abgewickelt werden, zum anderen verbesserte sich durch die Stellwerksanlagen die Betriebssicherheit erheblich.
Fortsetzung der Isartalbahn von Wolfratshausen nach Bichl
Der Anschluss von Kochel an das Eisenbahnnetz war Ende der 1980-er Jahre durch eine Verlängerung der Staatsbahnstrecke München – Tutzing – Penzberg geplant. Das am 22. Februar 1891 gegründete „Eisenbahncomité München – Kochel“ setzte sich jedoch für einen Streckenbau Wolfratshausen – Kochel ein, weil sich der Raum Kochel wirtschaftlich nach Wolfratshausen orientierte. Das Streckenprojekt wurde von der bayerischen Staatsregierung und den Bayerischen Staatseisenbahn so gut es ging blockiert, befürchtete man doch Konkurrenz für das eigene Lokalbahnprojekt Penzberg – Kochel. 1894 konnten die Voruntersuchungen für Wolfratshausen – Bichl vollendet werden. Letztendlich erhielt die LAG am 21. Juni 1895 dann doch die Konzession zur Projektierung der Linie Wolfratshausen – Bichl mit Anschluss an die künftige Staatsbahnstrecke Penzberg – Kochel.
Nachdem der Bau der Lokalbahn Penzberg – Kochel mit Gesetz vom 14. März 1896 beschlossen war, erteilte man der LAG am 27. Juli 1896 die Konzession zum Bau und Betrieb der Verbindung Wolfratshausen – Bichl unter zwei Bedingungen:
- Die LAG-Strecke nach Bichl durfte nicht vor der Fertigstellung der Staatsbahn Penzberg – Kochel in Betrieb gehen und
- die Tarife auf der kürzeren LAG-Verbindung München – Bichl durften nicht günstiger sein als der Staatsbahntarif München – Tutzing – Bichl.
Abb.: Bahnhof Beuerberg auf einer Postkarte, gelaufen 1925
Mit dem Streckenbau begann die LAG am 25. August 1896. Es wurden 21 Brücken errichtet, davon zwei größere Bauwerke zur Überquerung der Loisach südlich Wolfratshausen und bei Fletzen. Zwischen Wolfratshausen und Eurasburg mit den Stationen Degerndorf und Bolzwang nahm man knapp ein dreiviertel Jahr später am 1. Juni 1897 den Verkehr auf. Zum 15. August 1897 folgte der Abschnitt Eurasburg – Beuerberg. Die letzten 13,5 Kilometer bis zur Gemeinschaftsstation Bichl mit den Haltestellen Fletzen und Bad Heilbrunn durften aufgrund o. g. vertraglicher Bindungen erst am 23. Mai 1898 zusammen mit der Eröffnung der Lokalbahn Penzberg – Kochel dem Betrieb übergeben werden. Mit Ausnahme der unbesetzten Haltestellen Degerndorf und Bolzwang wurden alle Betriebsstellen ab Inbetriebnahme mit Stellwerksanlagen ausgerüstet. Ihre maximale Ausdehnung mit 50 Kilometer Streckenlänge hatte die Isartalbahn nun erreicht.
(Armin Franzke)
Abb.: Streckenkarte der Reichsbahndirektion München von 1947
Abb.: Streckenkarte der Reichsbahndirektion München von 1947 mit Detailausschnitt des im Stadtgebiet von München liegenden Streckenabschnitt der Isartalbahn
Isartalbahn in den Jahren 1891 – 1938