Buchvorstellung der Gemeinde Pullach am 24. Oktober 2022
Band 10 der Pullacher Schriftenreihe: 153 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Hg. Gemeinde Pullach im Isartal, ISBN 978-3-9820141-9-7
Das Buch greift einen lange vergessenen Teil der Entwicklung von Pullach auf.
Ortsentwicklung in den 1920er Jahren : Die Holzhaus-Gartenstadt
In den 1920er Jahren, vor dem Hintergrund der großen Wohnungsnot, planten die Münchner Holzbauunternehmer Moritz Kowalski und Fritz Glasser in Pullach den Bau von 170 erschwinglichen Holzhäusern mit Gärten. Die Grundstücke lagen auf dem „Baierbrunner Feld“, bis dahin Schafweide. Für das städtebauliche Konzept und die Entwürfe für die Häuser kooperierten die Unternehmer mit dem Münchner Künstler und Architekten Richard Riemerschmid, bekannt und erfahren durch seine Planungen für die Gartenstädte Hellerau und Nürnberg. Er entwarf nun den Bebauungsplan für die erste (und einzige) Holzhaus-Gartenstadt und konzipierte dafür innovative „Fertighäuser“. Diese vereinten rationelles Bauen und gute Wohnqualität; vorfabriziert in der Fabrik waren sie auf den Grundstücken rasch aufgebaut. 1927 zogen die ersten Familien ein und sie fühlten sich wohl.
Veränderungen von Konzept und Finanzierung
Bald kamen Geldsorgen: Geländeerschließung, Holzhausfabrikation und Kredite für die Bauherren verschlangen große Summen, doch der Verkauf von Grund und Häusern lief langsam. Die Unternehmer Moritz Kowalski und Fritz Glasser fanden Unterstützung bei der neu gegründeten ersten deutschen Bausparkasse in Wüstenrot. Diese gab Kredite unter der Bedingung, dass künftig auch „Steinhäuser“ (Massivbau) möglich sein sollten. Als es den Unternehmern nicht möglich war, wie vereinbart zurückzuzahlen, übernahm die Bausparkasse die Firma „Gartenstadt Pullach GmbH“ und den weiteren Verkauf der Grundstücke. Kowalski und Glasser gingen mit ihrer Holzhausfabrik in Konkurs. Ihr innovativer Ansatz für gutes und bezahlbares Wohnen hatte in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht funktioniert.
Die Gartenstadt Pullach entwickelte sich weiter. 1937 waren alle Grundstücke verkauft und wurden nun überwiegend mit Steinhäusern bebaut; Bus- und Bahnhaltestellen wurden eingerichtet. Doch das Leben wurde schwierig während NS-Zeit und Krieg: einige Familien wurden vom Regime verfolgt, in den Häusern gab es Einquartierungen, Bomben beschädigten die Gartenstadt. Immerhin ermöglichten die Gärten Selbstversorgung und erleichterten die Ernährung.
Ein Denkmal
Ab 1950 vereinte die Gartenstadt einige Zeit gutes Wohnen, Gewerbe und Einkaufsmöglichkeiten. Um 1970 begannen die ersten Abrisse und inzwischen erinnern nur noch wenige Holzhäuser, zum Teil denkmalgeschützt, an das interessante wohnungs- und sozialpolitische Projekt der 1920er Jahre. Teile des ursprünglichen Gestaltungskonzepts und auch eine Reihe der Steinhäuser der Anfangszeit haben sich bisher noch erhalten – doch zahlreiche Abrisse bedrohen und zerstören die Atmosphäre der historischen, bis heute geschätzten Wohngegend.
Auf der Grundlage vielfältiger Archivrecherchen und Gespräche skizziert Angelika Bahl-Benker vom Pullacher Geschichtsforum e.V. mit Fotos und Dokumenten die Geschichte der Gartenstadt Pullach und einige der Menschen, die dort gelebt haben.