Großhesselohe Isartalbahnhof

Seit 1891 überquerte die von der Localbahn Aktiengesellschaft München (LAG) betriebenen „Isartalbahn“ von München-Isartalbahnhof nach Wolfratshausen die westlichen Bahnhofsanlagen der Maximiliansbahn und des Bahnhofs Großhesselohe Staatsbahnhof mittels einer 41,5 Meter langen Eisenbahnbrücke. Unmittelbar im Anschluss daran entstand an der Isartalbahn ein eigener Bahnhof mit der Bezeichnung Großhesselohe Isartalbahnhof“, der nie eine Schienenverbindung zum Staatsbahnhof hatte.

Die Station Großhesselohe Isartalbahnhof erhielt aufgrund des zu erwartenden Ausflugsverkehrs ein großes Bahnhofsgebäude, das in drei Teile gegliedert wurde. Zwei unterschiedlich große Eckpavillons wurden durch eine nach der Gleisseite offenen Wartehalle verbunden. Die zweigeschossigen Eckpavillons wurden mit einem Sichtmauerwerk aus Ziegeln errichtet. Die straßenseitige Rückwand der Wartehalle entstand ebenfalls als Ziegelmauer. Ein Güterschuppen und eine Verladerampe entstanden auf der Westseite des Bahnhofs. Das zweiseitig angebundene Ladegleis hatte auch eine Gleiswaage aufzuweisen.

Die ersten Betriebsjahre verliefen für die LAG durchaus erfreulich, so dass 1896 mit dem zweigleisigen Streckenausbau zwischen München Isartalbahnhof und Höllriegelskreuth-Grünwald begonnen wurde und am 1. Mai 1897 abgeschlossen war. Die Station Großhesselohe Isartalbahnhof hatte nach dem zweigleisigen Streckenausbau nun vier Gleise vorzuweisen.

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Abb.: Lageskizze des Bahnhofs mit Stand um 1920,

Der Vorortverkehr von München Isbf nach Höllriegelskreuth-Grünwald wurde am 15. Januar 1900 auf elektrischen Betrieb umgestellt. Zum Einsatz kamen nun elektrische Triebwagen, die in dichtem Takt verkehrten, z. B. im Sommerfahrplan 1913: vormittags im 30-Minuten- und nachmittags im 20-Minuten-Takt.

Zwischen den beiden Bahnhöfen Großhesselohe Isartalbahnhof und Großhesselohe (Staatsbahnhof)  entwickelte sich auch Umsteigeverkehr; konnte doch über die Staatsbahnlinie der Münchner Central- bzw. spätere Hauptbahnhof einfacher und schneller erreicht werden. Zwischen den beiden Großhesseloher Bahnhöfen war ein Fußweg von 500 Metern zurückzulegen.
In der Dienstanweisung der LAG war vorgeschrieben: „… Bei den nach München IB verkehrenden, in Großhesselohe IB haltenden Personenzügen, hat der Zugführer deutlich auszurufen: „nach Großhesselohe Staatsbahnhof umsteigen„.“ [Anm.: IB = Isartalbahnhof]

Die „Sollner Kurve“
1938 wurde die Localbahn AG verstaatlicht. Die Reichsbahnbaudirektion München griff bald darauf den Plan aus dem Jahr 1904 für den Bau einer Verbindungskurve von Solln nach Großhesselohe Isbf auf. Künftig sollte hier eine S-Bahnlinie von Freimann über Karlsplatz nach Höllriegelskreuth-Grünwald über diese Streckenverbindung geführt werden. Nachdem in Pullach um 1942 der Bau eines Führerhauptquartiers in Angriff genommen wurde, errichtete die Reichsbahn ab dem Haltepunkt Solln Ende 1942/Anfang 1943 die genannte Verbindungskurve nach Großhesselohe Isbf, trotz der ansonsten eingestellten S-Bahn-Bauarbeiten im Raum München. Über die Verbindung konnten nun Sonderzüge der damaligen Machthaber direkt in das Bunkergeländer fahren, das einen großzügigen Gleisanschluss erhalten hatte. In Großhesselohe Isartalbahnhof wurde 1943 die alte LAG-Stellwerkanlage aus dem Jahr 1892 durch ein mechanisches Stellwerk Bauform „Einheit“ als Mittelstellwerk ersetzt.

Fast zur gleichen Zeit wurde am 4. Juni 1942 das zweiten Streckengleises zwischen Großhesselohe Isartalbahnhof und Höllriegelskreuth-Grünwald gesperrt und zur Gewinnung von Oberbaustoffen zurückgebaut, an denen es kriegsbedingt mangelte. In Pullach verblieb dabei eine Kreuzungsmöglichkeit.

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Abb.: Lageskizze Skizze des Haltepunktes München-Solln mit Stand Januar 1944. Eingezeichnet ist die neue Verbindungskurve von Solln nach Großhesselohe Isartalbahnhof, eine signaltechnische Anbindung ist noch nicht erfolgt

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Abb.: Lageskizze des Bahnhofs Großhesselohe Isartalbahnhof mit Stand Januar 1944, der Namenszusatz „Isartalbahnhof“ fehlt hier allerdings. Eingezeichnet sind die neue Verbindungskurve von Solln nach Großhesselohe Isartalbahnhof und der Gleisanschluss zum Führerhauptquartier auf dem Gelände des heutigen BND. Das 1896 gebaute zweite Streckengleis nach Höllriegelskreuth ist seit 1942 kriegsbedingt wieder abgebaut.

Bis zum 8. Oktober 1950 wurde die eingleisige Verbindungskurve um bisher fehlenden Weichenverbindungen in München-Solln und Großhesselohe Isartalbahnhof ergänzt und sicherungstechnisch durch eine neue Blockstelle München-Solln vervollständigt, denn nun wurden alle dampflokbespannten Personenzüge nach Wolfratshausen – Bichl/Kochel nicht mehr von München Isartalbahnhof, sondern ab München Hbf gefahren. In 1950 war auch das zweite Streckengleis Großhesselohe Isartalbahnhof – Höllriegelskreuth-Grünwald wieder aufgebaut worden. Um 1955 dürfte der Gleisanschluss in das spätere BND-Gelände zurückgebaut worden sein.

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Abb.: Lageskizze  der Abzweigstelle München-Solln und des Bahnhofs Großhesselohe Isartalbahnhof mit Stand 1955. Um ab dem 8. Oktober 1950 Züge von München Hbf nach Wolfratshausen / Bichl / Kochel fahren zu können, waren Ergänzungen an der Infrastruktur in der Abzweigstelle München-Solln und in Großhesselohe Isartalbahnhof ausgeführt worden.

Stilllegung des Reisezugverkehrs München Isartalbahnhof – Großhesselohe Isartalbahnhof
Nachdem mit Inbetriebnahme der Verbindungskurve München-Solln – Großhesselohe Isartalbahnhof alle durchgehenden Züge nach Wolfratshausen/Kochel ab München Hbf geführt wurden, verblieb auf dem elektrifizierten Abschnitt der Isartalbahn nur noch der Vorortverkehr von München Isartalbahnhof bis Höllriegelskreuth-Grünwald mit Zugfahrten im 30-Minuten-Takt, der mit Ausnahme einzelner Ausdünnungen während der Nebenverkehrszeiten bis in die 1960-er Jahre beibehalten wurde.

1963 sah sich die DB Forderungen der Stadt München gegenüber, den Streckenabschnitt München Isartalbahnhof – München-Thalkirchen stillzulegen. Die Isartalbahn verhinderte in diesem Bereich einen Ausbau der städtischen Ringstraßen. Der anfängliche Widerstand der DB gegen eine Stilllegung wurde zur Jahreswende 1963/64 aufgegeben. Die Einstellung des Reisezugbetriebes zwischen München Isartalbahnhof und Großhesselohe Isartalbahnhof und der Rückbau des zweiten Streckengleises von München-Thalkirchen bis Großhesselohe Isartalbahnhof wurde zügig durchgeführt und bereits zum 1. Juni 1964 umgesetzt. München-Thalkirchen wurde im Güterverkehr weiterhin aus Großhesselohe Isartalbahnhof über das verbliebene Streckengleis bedient.

S-Bahn-Ausbau
Der Abschnitt München Hbf – Solln – Großhesselohe Isartalbahnhof war schon am 29. September 1957 bzw. die Weiterführung nach Wolfratshausen 1960 elektrifiziert worden. Angesichts der umfangreichen Bauarbeiten zum Aufbau eines S-Bahn-Netzes im Großraum München, stellte die DB den Ausbau der Wolfratshauser Strecke für einen S-Bahn-Betrieb und die Anbindung an die S-Bahn-Stammstrecke vorläufig zurück. Mit Inbetriebnahme des Münchner S-Bahn-Netzes am 28. Mai 1972 richtete die DB zwischen München Hbf (Holzkirchner Flügelbahnhof) über Großhesselohe Isbf und Wolfratshausen deshalb nur die S-Bahn-Linie 10 mit lokbespannten Wendezügen ein. Die S 10 entsprach aber keineswegs dem Münchner S-Bahn-Standard. Die Züge verkehrten nur im 30/60-Minuten-Takt auf der alten Gleis- und Bahnsteiginfrastruktur.
1976 waren die Planungen für eine Anbindung der sogenannten „Südstrecken“ (Wolfratshausen, Holzkirchen – Bayrischzell/ Lenggries) mit dem 260 Meter langen „Südstrecken-Tunnel“ an die S-Bahn-Stammstrecke im Bereich des Haltepunktes Donnersberger Brücke unter Dach und Fach. Parallel zu dieser Baumaßnahme fand auch die Modernisierung und der Ausbau der Isartalbahn ab Mü-Solln und Großhesselohe Isartalbahnhof zur S-Bahn statt. Hierbei wandelte die DB die Strecke am 31. Mai 1981 von einer Neben- in eine Hauptbahn um.

1977 wird der Bahnübergang für die Fußwegverbindung zwischen Alpspitzstraße und Promenadenweg durch eine Fußwegunterführung ersetzt.
Der zweigleisige Ausbau der Verbindungskurve München-Solln – Großhesselohe Isartalbahnhof mit einem Überwerfungsbauwerk über die Strecke München – Holzkirchen im Jahr 1980, die Neugestaltung der Gleisanlagen in Großhesselohe Isartalbahnhof sowie die Erneuerung der Stellwerksanlagen in Spurplantechnik waren dabei die größten Vorhaben.
Die Gleis- und Bahnsteiganlagen von Großhesselohe Isartalbahnhof wurden 1980-81 vollständig verändert. Der Bahnübergang nördlich der Bahnsteige im Zuge der Sollner Straße wurde durch eine Brücke ersetzt. Das ehemalige Ladegleis 4 wurde aufgegeben und nun zu den durchgehenden Hauptgleisen 3 und 4 der Verbindung München-Solln – Höllriegelskreuth umgebaut. Den 145 Meter langen Mittelbahnsteig band man beidseitig über Treppenanlagen und Unterführungen an. Das Gleis 2 wurde Überholgleis und stellte zunächst weiterhin die  Anbindung der Güterzugstrecke nach München Isartalbahnhof und Thalkirchen sicher. Gleis 1 wurde zum nur noch einseitig angebundenen Abstellgleis umgebaut.

Die Signalanlagen der Abzweigstelle München-Solln, der Bahnhöfe Großhesselohe und Großhesselohe Isartalbahnhof waren seit dem 2. März 1982 vom Stellwerk München-Mittersendling ferngesteuert. Hierbei wurde auch die Bezeichnung der Gleise 1 bis 4 in Großhesselohe Isartalbahnhof umgedreht. Der Bahnhof Großhesselohe Isartalbahnhof war damit ab dem 1. April 1982 nicht mehr mit Personal besetzt und damit auch das Bahnhofsgebäude für betriebliche Zwecke entbehrlich.

Radweg auf der Isartalbahntrasse
Der nach Einstellung des Personenverkehrs noch im Güterverkehr bediente Streckenast Mü-Thalkirchen – Großhesselohe Isbf der Isartalbahn wurde am 1. September 1995 aufgegeben. Es folgte der Rückbau der Gleisanlagen und 2001 die Eröffnung eines Radwanderweges auf einem überwiegenden Teil der Isartalbahntrasse. Lediglich der Abschnitt vom Carusoweg mit der Brücke über die Maximiliansbahn blieb davon noch ausgenommen. Die Eisenbahnbrücke steht unter Denkmalschutz und die von der Gemeinde Pullach gewünschte südliche Fortsetzung des Radwegs über die Brücke bis zum Bahnhof Großhesselohe Isartalbahnhof konnte noch nicht realisiert werden. Nach dem Rückbau der letzten Gleisstücke in Richtung Thalkirchen im Jahr 2010 steht auch hier der notwendige Raum für den Radwegbau zur Verfügung.

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Abb.: Nördlicher Teil des früheren Bahnhofsgebäudes Großhesselohe Isartalbahnhof, der jetzt im Erdgeschoss die Restaurantküche beherbergt

Weißbiergenuss in der alten Wartehalle
Nach einigen Jahren Leerstand erwarben 1986/87 ein Münchner Notar und ein Architekt den alten Bahnhof und setzten ihre Planung zur Renovierung des Gebäudes und Einrichtung einer Braugaststätte absolut gelungen um. Der Gastraum wurde in der ehemaligen Wartehalle eingerichtet und die bisher offene Halle zur Gleisseite hin durch eine Glaswand geschlossen. Im Nordbau wurde die Küche sowie eine kleine separate Gaststube untergebracht. Die Traunsteiner Brauerei pachtete das nun entstandene „Isarbräu“ für 25 Jahre an. Der erste erfolgreiche Wirt Frank Waldecker eröffnete im November 1988 und überraschte mit seinem neuen Konzept des eigenständigen Brauens. Das gelungene optische Konzept und die gut erreichbare Lage Pullachs, machte die Gaststätte bald über die Gemeindegrenze hinaus auch in München bekannt. Das Isarbräu entwickelte sich zu einem Kultlokal dieser Generation.
Der südliche Gebäudeteil wird seitdem als Arztpraxis genutzt.

Zum Jahreswechsel 1999 / 2000 übernahm der Inhaber eines Touristikunternehmens das Isarbräu in Pacht. In dieser Zeit fand auch ein Eigentümerwechsel statt. Im Dezember 2012 schloss das Isarbräu für lange 10 Monate seine Tore. Nach dem Auslaufen des 25-jährigen Pachtvertrags mit der Traunsteiner Brauerei im August 2013 kam es zu einem Pächterwechsel und nach Abschluss einer Renovierung sperrten Anfang November 2013 die neuen Pächter Familie Abenteuer das Wirtshaus als „Isartaler Brauhaus“ wieder auf. Zum Essen empfiehlt sich nach wie vor das süffige „Stationsweizen“ mit Blick auf den S-Bahn-Betrieb.   (Armin Franzke)

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