Bahnhof Großhesselohe (Staatsbahnhof)

Nachdem die ersten Planungen für eine Bahnverbindung von München nach Salzburg auf das Jahr 1836 zurückgingen, führten die Verhandlungen zwischen Bayern und Österreich am 21. Juni 1851 zum Abschluss eines Staatsvertrages.

Die schwierige Finanzierung des bayerischen Staatshaushalt führte zur Abkehr vom Staatsbahnprinzip und so erhielt 1850 der privatwirtschaftlich finanzierten „München-Rosenheim-Salzburger-Eisenbahn-Verein“ die Genehmigung zum Bau der bayerischen Streckenabschnitte. Die Bauarbeiten begannen am 1. September 1851 im Bereich von Großhesselohe. Das tief eingeschnittene Isartal war hier im unmittelbaren Anschluss an die geplante Station Großhesselohe mit einer großen Eisenbahnbrücke zu überqueren.

Streckenbau mit Schwierigkeiten
Mit dem Großprojekt war der Eisenbahn-Verein finanziell überfordert, so dass sich Bayern am 7. Mai 1852 genötigt sah, den Bau nun doch als Staatsbahnlinie fortzuführen.

Der Eisenbahnverein hatte den ursprünglichen Plan, das Isartals mit einer 260 Meter lange Brücke zu
queren, aus Kostengründen auf eine Brücke mit nur 87,6 Meter lichter Weite reduziert. Seitliche Bahndämme wurden hierfür bis zu den Widerlagern aufgeschüttet. Das rechte Widerlager war bereits errichtet, als das in Angriff genommene linke Widerlager sowie die dazugehörige große Dammschüttung im Juni 1853 durch ein Hochwasser weggespült wurden. Neben der durch das Bauwerk verursachten Talverengung war auch die nicht durchgeführte Flusskorrektur für die Zerstörung des Bauwerks verantwortlich.

Die Bauarbeiten an der Brücke wurden daraufhin eingestellt und die Planung grundsätzlich überarbeitet. Zum einen wurde eine umfangreiche Flusskorrektur vorgesehen und die Brücke unter Verwendung des unbeschädigten Widerlagers auf 175 Meter mit vier Öffnungen erweitert. Im Herbst 1853 wurde nach den neuen Plänen weitergebaut.

Streckeneröffnung bis Großhesselohe
Eine erneute Unterbrechung der Bauarbeiten an der Großhesseloher Brücke sowie im anschließenden Streckenabschnitt Richtung Rosenheim brachte das Jahr 1854, nachdem Österreich erklärte, seine Anschlussstrecken Wien – Salzburg und Kufstein – Innsbruck nicht wie vertraglich vereinbart bis 1856 fertig stellen zu können. Der bautechnisch einfach auszuführende 11 Kilometer lange Abschnitt von München bis Großhesselohe war schon weit fortgeschritten und erlaubte am 24. Juni 1854 die Betriebsaufnahme. Es verkehrten zunächst drei Zugpaare in der Früh, nachmittags und abends.

Fahrplan, gültig ab 24. Juni 1854
Fahrplan, gültig ab 24. Juni 1854

Erst im Frühjahr 1856 wurden die Bauarbeiten an der Großhesseloher Brücke wieder aufgenommen, nachdem mit Österreich ein neuer Staatsvertrag zur Streckenverknüpfung abgeschlossen war. Die Überbauten wurden von Heinrich Gerber entworfen, der die von Oberbaurat Friedrich August von Pauli patentierte Tragwerkskonstruktion, den sogenannten „Paulischen Fischbauch- oder Linsenträger“ adaptierte. Erstmals wurde das Pauli-System bei einer Brücke mit diesen Abmessungen angewendet.

Am 31. Oktober 1857 konnte die Fortsetzung der Strecke von Großhesselohe über Holzkirchen nach Rosenheim in Betrieb genommen worden. Kufstein war in der Folge 1858 und Salzburg 1860 erreicht.

Für drei Jahre war Großhesselohe somit von 1854 bis 1857 Endstation der sogenannten Maximiliansbahn. Mit der Streckenfortführung verbunden war 1857 auch die Umwandlung der Haltestelle in eine Expedition.

Lageplan Station Großhesselohe 1877
Der Lageplan Station Großhesselohe 1877 zeigt der niveaugleichen Straßenkreuzung östlich des Bahnhofsgebäudes auch das Anschussgleis zur  Wenz´schen Trottoirsteinfabrik.

Der Lageplan von 1877 zeigt die Bahnhofsanlage mit drei Hauptgleisen, wovon zwei mit Bahnsteigen ausgerüstet waren. Das Empfangsgebäude besaß zwei massive Flügelbauten. Im Ostflügel waren der Schalterraum und die Wohnung des Expeditors untergebracht. Im Nordflügel befanden sich der Wartesaal und die Bahnmeisterwohnung. Beide Flügelbauten waren durch einen schmalen Verbindungsbau zusammengefasst, in dem sich die Holzlege, Geschirrkammer, Gepäckkammer, Waschküche, Bahnmeistermagazin und die öffentlichen Toiletten befanden. Weiterhin war die Fläche zwischen den Flügelbauten und dem Verbindungsbau mit einer Überdachung versehen, die als Wartehalle genutzt wurde. Zwei Wechselwärterhäuser waren an den beiden Bahnhofsköpfen errichtet worden. Hier arbeiteten und wohnten die sogenannten „Wechselwärter“, die wegen damals noch nicht entwickelter Stellwerkstechnik die Weichen (= „Wechsel“) für die Zugfahrten händisch stellen mussten. Die Ladegleise auf der Nordseite des Bahnhofs waren um eine Wagendrehscheibe herum angeordnet. Ein Gleis wurde in nördlicher Richtung zur sogenannten Hochleite verlängert. Hier befand sich eine Seilbahn, um Kohlen zur Wenz´schen Trottoirsteinfabrik im tiefer liegenden Isartal zu transportieren. Hier siedelte sich im Zusammenhang mit dem Bau der Großhesseloher Eisenbahnbrücke 1852 eine Klinkersteinfabrik an, die 1873 von Adolph Wenz übernommen wurde.

Die Maximiliansbahn war zunächst nur eingleisig ausgeführt worden, die Konstruktion der Großhesseloher Brücke aber bereits für einen späteren zweigleisigen Betrieb ausgelegt und die Überbauten entsprechend hergestellt. Die Überbauten der zweite Gleisachse nutzte man bis auf Weiteres für den Straßenverkehr. Darüber war die Bevölkerung sehr froh, da eine feste Isarquerung zu jener Zeit nur in München vorhanden war, isaraufwärts erlaubten lediglich Fähren eine Querung des Flusses.

Die steigende Nachfrage der Personenzüge führte zur Erweiterung des Zugangebots im Abschnitt München – Großhesselohe. Im Sommer 1860 waren hier bereits bis zu acht Zugpaare durchzuführen. Zwischen München und Großhesselohe wurde deshalb 1862 das 2. Streckengleis in Betrieb genommen. Dieser Streckenabschnitt gehört somit zu den wenigen bayerischen Eisenbahnstrecken, die schon vor 1870 zweigleisig betrieben worden sind.

Am 15. Oktober 1871 ging eine neue Hauptbahnlinie von München über Grafing nach Rosenheim in Betrieb. Diese günstiger trassierte Linie übernahm von der Holzkirchner Linie den gesamten Fern- und Durchgangsverkehr. Die Hauptfunktion der Maximiliansbahn lag nun bis Großhesselohe im Vorortverkehr bzw. ab Holzkirchen in der Anbindung des Oberlandes nach Schliersee und Tölz. So ist nicht verwunderlich, dass das 2. Gleis von Großhesselohe über die Isarbrücke nach Deisenhofen erst am 23. März 1910 in Betrieb genommen wurde. In diesem Zusammenhang wurden auch die Pauliträger der Großhesseloher Brücke durch acht neue Halbparabeleinfeldträger mit obenliegender Fahrbahn und gekrümmtem Untergurt ersetzt. Die Brücke verlor nun auch ihre Funktion für den Straßenverkehr. Fußgänger konnten sie jedoch weiterhin benutzen.

Ausflugsziel Isartal
Großhesselohe und Pullach wurde wegen der landschaftlichen Schönheit des Isartals und den hier vorhandenen Ausflugsgaststätten ab den 1880-er Jahren eines der beliebtesten Ausflugsziele der Münchner Bevölkerung. An Sonn- und Feiertagen verkehrten deshalb zusätzliche Züge bis Großhesselohe. Die zunehmende Zahl der Reisenden erforderte 1890 die Erweiterung des Expeditionslokals und die Herstellung eines Wartesaales III. Klasse. Um auch Dampflokomotiven der wendenden Vorort- und Zusatzzüge mit längerem Achsstand drehen zu können baut man 1891 anstatt der vorhandenen Wagendrehscheibe eine solche mit 13 Meter Durchmesser ein. Für die gewachsene Zahl der Großhesseloher Eisenbahner wurde 1892 ein Dienstwohngebäude mit Nebengebäude gegenüber dem Bahnhofsvorplatz errichtet. In späteren Jahren kam noch ein zweites Gebäude hinzu. Ebenfalls 1892 wurde östlich des Bahnhofsgebäudes ein Ladeschuppen gebaut. Zur gleichen Zeit ersetzte man auch den Bahnübergang der Distriktstraße von Großhesselohe nach Thalkirchen durch eine Straßenbrücke, die westlich des Bahnhofgebäudes über die Bahnanlage geführt wurde.

Seit 1891 überquerte die von der Localbahn Aktiengesellschaft München (LAG) betriebenen „Isartalbahn“ von München-Isartalbahnhof nach Wolfratshausen die westlichen Bahnhofsanlagen der Maximiliansbahn mittels einer 41,5 Meter langen Eisenbahnbrücke. Unmittelbar im Anschluss daran entstand an der Isartalbahn ein eigener Bahnhof mit der Bezeichnung Großhesselohe Isartalbahnhof“, der keine Schienenverbindung zum Staatsbahnhof hatte.

Zwischen den beiden Großhesseloher Bahnhöfen entwickelte sich auch Umsteigeverkehr; konnte doch über die Staatsbahnlinie der Münchner Central bzw. spätere Hauptbahnhof einfacher und schneller erreicht werden als von München Isartalbahnhof mit anschließender Straßenbahnfahrt. Zwischen den beiden Großhesseloher Bahnhöfen war ein Fußweg von 500 Metern zurückzulegen.

Ladestelle auf dem östlichen Isarhochufer
Auf der Staatsbahnlinie wurde jenseits der Großhesseloher Isarbrücke 1896 in Harlaching für den Güterverkehr eine Ladestelle mit zwei Gleisen und einer Kopframpe gebaut. Betrieblich wurde die Ladestelle in den Bahnhof Großhesselohe integriert, das 1900 gebaute Einfahrsignal entsprechend in Richtung Holzkirchen verschoben. In Harlaching wurden Güter für Grünwald umgeschlagen, ebenso fand Holzversand aus den nahen Wäldern statt. In den 1960-er Jahren baute die DB die dann nur noch wenig genutzten Ladegleise zurück.

1898 erhielt das Bahnhofsgebäude einen weiteren Anbau. Die teilweise chaotischen Zustände durch die vielen Ausflügler, die bei schönem Wetter in die Züge drängten veranlasste die Staatseisenbahnen für eine grundsätzliche Neugestaltung der Bahnsteiganlagen. 1900 wurden neben dem Hausbahnsteig zwei Mittelbahnsteige errichtet, so dass nun insgesamt fünf Bahnsteiggleise zur Verfügung standen. Der Bahnsteigzugang erfolgte mittels einer ebenfalls neu gebauten Unterführung. Im selben Jahr erhielt Großhesselohe auch eine mechanische Stellwerksanlage. Das Befehlstellwerk wurde im Ostflügel des Bahnhofsgebäudes untergebracht. An beiden Bahnhofsköpfen wurden Wärterstellwerke gebaut: Stellwerk 1 in km 10,380 rechts der Bahn unmittelbar neben der Brücke der Isartalbahn und Stellwerk 2 in km 10,822 rechts der Bahn.

Die Ladegleisanlagen mit Freiladegleis und Rampe verblieben nach wie vor auf der Nordseite des Bahnhofs.

Die überregional bekanntgewordene Trottoirsteinfabrik Adolph Wenz wurde 1914 stillgelegt und in der Folgezeit das Anschlussgleis zur Seilbahn zurückgebaut.

Nicht unerwähnt soll sein, dass Großhesselohe Sitz einer Bahnmeisterei war. Sie war für die Unterhaltung des Streckenabschnitts von Mittersendling (km 4,0) bis Sauerlach (km 25,2) der Strecke München – Holzkirchen zuständig.

Lageskizze Bahnhof Großhesselohe 1940
Lageskizze Bahnhof Großhesselohe 1940. Auf dem östlichen Isarufer befand sich eine Güterladestelle.

Die Großhesseloher Brücke entging 1945 nur knapp ihrer Zerstörung durch zurückweichende deutsche Truppen. Bereits angebrachte Sprengladungen wurden durch einen mutigen Wehrmachtssoldaten zum Teil wieder entfernt, so dass die Brücke der folgenden Sprengung standhielt.

Ab 8. Oktober 1950 wurden alle Personenzüge nach Wolfratshausen – Bichl/Kochel nicht mehr von München Isartalbahnhof, sondern ab München Hbf gefahren. In der Folgezeit sank die Bedeutung und Frequenz des Bahnhofs Großhesselohe für den Personenverkehr immer mehr. Der Bahnhof Großhesselohe Isartalbahnhof lag günstiger zur Wohnbebauung, so dass die letzten in Großhesselohe endenden Nahverkehrszüge ab 30. Mai 1959 entfielen. Die Vorortzüge München – Deisenhofen – Sauerlach legten aber weiterhin einen Halt in Großhesselohe ein.

Im Zusammenhang mit dem Aufbau des Münchner S-Bahn-Netzes wurde am 11. September 1968 der elektrische Betrieb zwischen München und Holzkirchen aufgenommen. Im Bahnhof Großhesselohe wurden die Gleise 1 bis 3 mit Fahrleitung ausgerüstet. Der Abschnitt München Hbf – Solln – Großhesselohe Isartalbahnhof war schon am 29. September 1957 bzw. die Weiterführung nach Wolfratshausen 1960 elektrifiziert worden.

Mit Eröffnung der S-Bahn-Linie 7 München – Großhesselohe Isbf – Wolfratshausen am 30. Mai 1981 wurden der Bahnhof Großhesselohe an der Strecke nach Holzkirchen für den Reiseverkehr geschlossen. Schnell veränderte sich sein Erscheinungsbild: Mit der Fernsteuerung des Bahnhofs durch das Stellwerk München-Mittersendling ab Dezember 1981 wurden die beiden Wärterstellwerke entbehrlich und abgebrochen. Nachdem bereits 1979 die Bahnmeisterei Großhesselohe aufgelassen worden war, fand sich im Bahnhof Großhesselohe kein einziger diensttuender Eisenbahnern mehr. In der Folgezeit wurde der Mitteltrakt des Empfangsgebäudes mit seiner großen, zu den Gleisen hin offenen Halle und mit dem schon jahrelang geschlossenen Wartesaal abgebrochen, so dass heute nur noch die beiden Flügelbauten erhalten sind, die heute noch als Wohnungen genutzt werden. Die benachbarte frühere Güterhalle dient Jugendgruppen als Gemeinschaftsraum.

Die beiden Flügelbauten des früherenEmpfangsgebäudes blieben erhlaten und werden als Wohnhäuser genutzt. Der verbindende Mitteltrakt mit der Wartehalle wurde in den 1980-er Jahren abgebrochen. (2011)
Die beiden Flügelbauten des früheren Empfangsgebäudes blieben erhalten und werden als Wohnhäuser genutzt. Der verbindende Mitteltrakt mit der Wartehalle wurde in den 1980-er Jahren abgebrochen. (2011)

Von 1983 – 85 kehrte noch einmal Leben nach Großhesselohe zurück. In dieser Zeit wurde die Erneuerung der Großhesseloher Brücke durchgeführt. Der Neubau wurde wieder als Fachwerkbrücke, aber in Stahl-Beton-Verbundbauweise gestaltet. Zur Lärmreduzierung wurde die Fahrbahnplatte aus Beton mit Schotterbett hergestellt. Der öffentliche Fußweg, bisher auf der Brücke verlaufend, wurde nun unter der Fahrbahn innerhalb des Fachwerks untergebracht. Zusätzlich wurde mit dem Neubau die Talverengung durch die alten Widerlager wieder zurückgenommen. die Gesamtstützweite betrug über 3 Pfeiler nun 245,4 Meter bei einer Gesamtlänge von 281,4 Meter.

Im Zuge des Brückenneubaus und den dafür notwendigen Provisorien in Form einer 330 Meter langen eingleisigen Hilfsbrücke wurden die alten Bahnsteiganlagen abgebrochen. Feierlich wurde die neue Isarquerung am 29. September 1985 dem Verkehr übergeben.

Der örtliche Güterverkehr in Großhesselohe wurde 1987 eingestellt. Noch einige Zeit war ein drittes Hauptgleis in Betrieb, das dann 2001 stillgelegt wurde und das Ende des Bahnhofs Großhesselohe bedeutete. Mit der Durchführung der signaltechnischen Rückbauten 2003/4 ist der Bahnhof Geschichte.

Seit 1998 wurden die nicht mehr bahnbetrieblich notwendigen Bahnflächen im Umfang von rund 50.000 qm durch einen Bauunternehmer erworben. Der Investor möchte nördlich der Bahn ein Büro- und Verwaltungsgebäude mit Tiefgarage errichten, südlich der Gleise gewerbliche Ergänzungsbauten sowie neue Wohnhäuser. Die Gebäude der ehemaligen Bahnmeisterei, des EG sowie die beiden Dienstwohngebäude sollen hierfür abgebrochen werden. Doch seit Jahren kommt es zu keiner Einigung mit der Gemeinde Pullach, so dass das ehemalige Bahngelände und die Bahnmeistereigebäude zunehmend verwahrlosen.  (Armin Franzke)

Blick auf die früheren Gebäude der Bahnmeisterei Großhesselohe
Blick auf die früheren Gebäude der Bahnmeisterei Großhesselohe